Die Illegalisierung und Entrechtung von Flüchtlingen und MigrantInnen fungierten in mehrfacher Weise als Speerspitze des sozio-ökonomischen neoliberalen Umbruchs in Westeuropa. In der EU leben schätzungsweise 5 Millionen Menschen ohne Aufenthaltsstatus, sie stehen in der Ausbeutungshierarchie ganz unten, teilweise kann von neuen Formen von Leibeigenschaft geredet werden. Niedrigstlöhne ohne Sozialleistungen bringen nicht nur Extraprofite für UnternehmerInnen, sondern dienen gleichzeitig als Drohung und Mittel der Disziplinierung aller ArbeiterInnen.
Mit der Ausgrenzung und Entrechtung bestimmter sozialer Minderheiten bilden sich neue (alte?) aggressive Identitäten bei den MehrheitsbürgerInnen heraus. Das weit verbreitete Feindbild der „illegalen, kriminellen Ausländer“ liefert die Folie für einen rassistischen Formierungsprozess in vielen europäischen Ländern, der sich mit der um sich greifenden Finanz- und Wirtschaftskrise zu verschärfen droht.
1993 wurde in Deutschland das Grundrecht auf Asyl faktisch abgeschafft und mit der Einführung des Asylbewerberleistungsgesetzes das Existenzrecht von Flüchtlingen in diesem Land in Frage gestellt. Durch staatliche Maßnahmen wie Abschiebung, Todesschüsse an Grenzen, merkwürdige Todesfälle in Haft wie im Fall von Ouri Jalloh kamen zwischen 1993 und 2007 mindestens 370 Flüchtlinge ums Leben, etwa 1000 wurden verletzt.
Außerdem wurden fast 100 Menschen durch rassistische Übergriffe und Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte ermordet, unzählige verletzt. Viele Flüchtlinge starben in ihren Herkunftsländern nach der Abschiebung oder wurden gefoltert und erneut inhaftiert.
Die Gewässer um Europa sind ein Massengrab. Nach Schätzungen starben in den vergangenen 10 Jahren mindestens 10.000 Menschen bei dem Versuch, das Mittelmeer zu überqueren, gerade kürzlich kamen mehr als 200 Personen bei dem Versuch ums Leben, von Libyen nach Italien zu gelangen. Im Oktober 2008 hat der Europäische Rat einen so genannten „Pakt zu Einwanderung und Asyl“ beschlossen. Ziel der Maßnahmen ist die Abwehr der so genannten illegalen EinwanderInnen. Absicht ist, die Flüchtlinge schon weit vor den EU-Grenzen abzufangen und zurück zu verfrachten.
Die militärisch-polizeiliche „Grenzagentur“ Frontex wird mit den „erforderlichen“ Mitteln ausgestattet, bis 2012 sollen die EU-Länder mit Hilfe des Visa-Informationssystems das biometrische Visum einführen, dann erfolgt die elektronische Erfassung aller Einreisenden. Wo Frontex operiert, gibt es nach Regierungsdefinition nur so genannte „irreguläre“ Migration, die gemeinsam mit „Partnerstaaten“ wie z.B. Libyen und Marokko zu bekämpfen ist. Menschenrechte spielen dabei keine Rolle. Asylanträge sollen möglichst gar nicht mehr gestellt werden können. Die Zahl der in Deutschland gestellten Asylanträge ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen und nur ein Bruchteil wurde anerkannt. Flüchtlinge gelangen kaum noch nach Deutschland, sondern nach Italien, Spanien und Polen. Für Frauen ist es besonders schwierig, Asyl in Deutschland zu bekommen. Im Jahr 2005 wurde nach jahrelanger Kritik an der bundesdeutschen Asylpraxis geschlechtsspezifische Verfolgung ausdrücklich anerkannt und festgestellt, dass Menschenrechtsverletzungen und Verfolgung auch von nicht-staatlichen AkteurInnen ausgehen können, wie bei Zwangsheirat oder Genitalverstümmelung. Vergewaltigung gilt allerdings nicht als Asylgrund. Nur wenige Frauen bekamen aufgrund frauenspezifischer Fluchtgründe Asyl, was in keinem Verhältnis zu dem Ausmaß an Verfolgung steht, unter der Frauen weltweit noch immer zu leiden haben. Haben MigrantInnen es schließlich geschafft, einen Aufenthaltsstatus in Deutschland zu bekommen, wird im Fall von 26 Herkunftsländern vor Erteilung bzw. Verlängerung derselben eine so genannte Sicherheitsbefragung durchgeführt – ein „Gesinnungstest“. Arbeitserlaubnisse werden nach dem Prinzip der Nützlichkeit erteilt. In Deutschland leben ca. 500.000 zugewanderte Akademiker und Akademikerinnen, deren Abschlüsse hierzulande nicht anerkannt werden. Viele müssen unqualifizierten Tätigkeiten nachgehen. So arbeiten eben russische Ärztinnen als Putzfrauen und iranische Ingenieure als Taxifahrer. Dazu kommt, dass in Deutschland MigrantInnen bei der Wohnungssuche diskriminiert und Kinder mit Migrationshintergrund vom Bildungssystem benachteiligt werden.
Angesichts dieser Verhältnisse und der Zunahme rassistischer Gewalttaten ist der von der Bundesregierung im September 2008 verabschiedete so genannte„Aktionsplan gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ eine Farce. Der alltägliche Rassismus in der Mitte der Gesellschaft wird nicht thematisiert, schon gar nicht der institutionelle und staatliche Rassismus, auf den aber internationale Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international besorgt hinweisen.
Ein solcher Fall von staatlichem Rassismus geschah hier in der Polizeiwache Herschelstraße am 26.11.2008: Es begann mit der Festnahme von Koamivi Assimewlui aus Togo in einem Wettbüro. Vorgeworfen wurde ihm nichts – außer, so hieß es, dass er sich in dem Wettbüro aufgehalten habe, in dem die Beamten einen Drogendealer vermuteten. Sie kontrollierten mehrere Menschen, das Einzige was diese verband, war ihre Hautfarbe. Koamivi Assimewlui wurde dann festgenommen, weil er angeblich nur eine Kopie seines Passes dabei hatte. Auf der Wache gab es Demütigungen und auch Handgreiflichkeiten in Form von Schlägen gegen den Mann. Er musste sich ausziehen und es wurde ihm nicht gestattet, einen Arzt zu sprechen. Als die Tortur auf der Wache zu Ende war, schickten die Beamten den Mann hinaus. Er war stark eingeschüchtert und offensichtlich in einem verwirrten Zustand bzw. traumatisiert: Er hatte seine Kleidung unter dem Arm und war nackt, trotzdem wurde er genötigt, die Wache zu verlassen. Kurze Zeit später wurde er auf der Straße erneut aufgegriffen, misshandelt und anschließend in die Medizinische Hochschule Hannover gebracht.Der rassistische Übergriff auf Koamivi Agos Assimewlui ist kein Einzelfall. Immer wieder kommt es zu Übergriffen von der Polizei auf MigrantInnen und Flüchtlinge. Ganz zu schweigen von dem staatlich verordneten Rassismus, der sich in Abschiebungen, Lagern und Sondergesetzen für Nicht-Deutsche ausdrückt. Die Herschelwache tut sich aber auch sonst immer wieder durch brutale Gewalt und gezielte Demütigungen hervor. Dies trifft nicht nur aber gerade auch und besonders MigrantInnen. Schamlos nutzen BeamtInnen der Polizeiinspektion Mitte (Herschelwache) ihre staatlich legitimierte Machtposition aus, um vermeintliche Verdächtige zu schikanieren und zu demütigen.
“Solidarität mit den Opfern rassistischer Polizeigewalt!
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