Gegen Repression und für Widerstand

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Selbst wenn sie alle Blüten abreißen,können sie den Frühling nicht aufhalten.

Erinnern wir uns zunächst daran, dass die Islamische Republik Iran durch Gewalt und Unterdrückung entstanden ist:

  • Die Unterdrückung sexueller und geschlechtsspezifischer Minderheiten, insbesondere an den Kampf der Frauen gegen den obligatorischen Hidschab am 8. März 1979, dessen historische Wahrheit kürzlich durch die als “Mädchen der Enghelāb (Revolutions)-Straße” bekannten Proteste und durch den Jina-Aufstand bestätigt wurde. 
  • Khomeinis Ausrufung des Dschihad gegen nicht-persische nationale Minderheiten und die blutige Unterdrückung von Selbstbestimmungsbewegungen. 
  • Die Unterdrückung religiöser Minderheiten und säkularer Gegner*innen.
  • Die gewaltsame Unterdrückung der Arbeiter*innenklasse, die zur Auflösung der Selbstverwaltungsräte der Arbeiter*innen und der Stadtviertel führte.

Im Schatten des achtjährigen iranisch-irakischen Krieges in den 1980er Jahren legte das Regime seine Grundlagen, indem es seine Gegner*innen ausschaltete. Die islamische Konterrevolution etablierte schließlich ihre Macht mit der Hinrichtung Tausender Gefangener und Revolutionär*innen im blutigen Sommer 1988 und riss damit die fortschrittliche Revolution von 1979 gewaltsam an sich. Seitdem stützt sich die Reproduktion dieses Regimes auf physische Unterdrückung und die Entwicklung ideologischer Apparate.

Heute zielt die gewaltsame Unterdrückung von Demonstrierenden und Gegner*innen durch das Regime nicht darauf ab, seine konterrevolutionäre Macht zu festigen, sondern vielmehr um ein Überleben des Regimes. Die Bewegung “Frauen, Leben, Freiheit” hat gezeigt, dass das Regime in den Köpfen der Menschen bereits tot ist. Einschüchterung, Gewalt und Drohungen können das Regime nicht mehr retten. Nasrin Qaderi, die kurdische Studentin, die in Teheran erschossen wurde, hat es in ihrer letzten Botschaft im Internet klar ausgedrückt: “Droht uns nicht mit dem Tod! Wir haben ihn schon lange durchlebt!”. Die Bewegung “Jin, Jiyan, Azadi” hat den Kampf gegen die Feinde des Lebens in den Mittelpunkt ihrer eigenen Existenz gestellt, wie der Slogan “Märtyrer*innen werden niemals sterben” zeigt.

Die Bewegung “Frauen, Leben, Freiheit” wurde durch den staatlichen Frauenmord an Jina (Mahsa) Amini am 16. September 2022 ausgelöst. In den vergangenen vier Monaten haben sich die unterdrückten Menschen im Iran gegen alle Repressionsmittel, Drohungen und Einschüchterungen gewehrt. Von den Straßen bis zu ihren Häusern, von den Fabriken bis zu den Universitäten und Schulen, überall leisten sie mit beispiellosem Mut Widerstand gegen die Repressionskräfte. Das Regime hat die Krankenhäuser militarisiert und Krankenwagen als Repressionsmittel eingesetzt, aber mutige Krankenpfleger*innen und Ärzt*innen kümmern sich gemeinsam mit der Jugend aus den Communities oder Stadtteilen um die Verwundeten und haben im Untergrund autonome Netze der medizinischen Versorgung geschaffen.

Die Gefangenen sind verschiedenen Formen von Brutalität ausgesetzt, z. B. unbegründeten Urteilen in Schauprozessen (ohne unabhängige Anwälte) und physischer und psychischer Folter, um Geständnisse zu erzwingen. Frauen und queere Gefangene sind besonders von Vergewaltigung und anderer sexualisierter Gewalt betroffen. Die Gefangenen gehen jedoch nicht vor dem Regime in die Knie und leisten selbst im Gefängnis Widerstand, indem sie in den Hungerstreik treten, koordinierte Aktionen durchführen, Erklärungen abgeben, Kunstwerke schaffen und viele andere kreative Formen der politischen Aktion durchführen.

Es sei daran erinnert, dass die Unterdrückung nicht gleichmäßig auf die unterdrückten Personen verteilt ist. Mohsen Shekari, der am 8. Dezember 2022 hingerichtet wurde, war ein Kaffeehausarbeiter. Er wurde als “Feind Gottes” gebrandmarkt und beschuldigt, eine Mülltonne in Brand gesetzt zu haben, während sein eigentliches “Verbrechen” die legitime Selbstverteidigung gegen die Gewalt der Streitkräfte war. Die Ermordung afghanischer Kinder wie Setareh Tajik und Kian Pirfalak aus der Stadt Izeh, die blutige Unterdrückung nationaler Minderheiten in Belutschistan und die Militarisierung Kurdistans sowie die erschütternden Berichte über Vergewaltigungen und sexualisierte Gewalt weisen auf die extremen und ungleichen Dimensionen der Unterdrückung hin.

Die “Republik der Massaker”, wie die Demonstrant*innen die Islamische Republik heute nennen, nutzt die prekäre Lage der anonymen und marginalisierten Menschen aus, um ihre Terrorkampagne zu intensivieren, und nimmt sogar die Familien der Märtyrer*innen und Gefangenen als Geiseln. Doch die Hinrichtungen und die Terrorkampagne werden und können diese Bewegung nicht aufhalten.  

Seit Beginn des Aufstands wurden mehr als 18.000 Aktivist*innen und Demonstrierende verhaftet, Tausende wurden verletzt, mehr als 500 Menschen wurden erschossen oder unter Folter getötet, und mehr als 100 Menschen sind von der Hinrichtung bedroht, unter anderem wegen “Kriegsführung gegen Gott” und “Verbreitung von Korruption auf der Erde”. Die Berichte über die Zustände in den Gefängnissen sind erschreckend.

Und doch ist der Aufstand der “Freiheit für das Leben der Frau” immer noch lebendig und braucht eine stärkere Solidarität. Unser Plädoyer für Gerechtigkeit und die Existenz dieses Aufstandes wird die Repression nur überleben, wenn die aktive internationale Unterstützung derjenigen, die für Freiheit kämpfen, die Kraft der Solidarität schafft. Das Schweigen der unterdrückten Völker auf der ganzen Welt angesichts der direkten/indirekten Unterstützung durch regionale und globale Mächte, die das Regime erhält, verstärkt dessen Gefühl der Straffreiheit und erleichtert die anhaltende Unterdrückung. Gleichzeitig müssen wir unsere Kräfte bündeln, um jede ausländische Intervention (einschließlich militärischer und wirtschaftlicher Art) zu verurteilen, die die Unabhängigkeit und Autonomie dieses Aufstandes beeinträchtigen würde.

Am Samstag, den 21. Januar 2023, werden wir auf die Straße gehen, um die Hinrichtungen und die tyrannische Unterdrückung zu verurteilen und unsere Solidarität mit dem Widerstand der Gefangenen und ihrer Familien, mit den zum Tode Verurteilten und mit der Bewegung der Mütter, die Gerechtigkeit für ihre Kinder fordern, zum Ausdruck zu bringen.

Zu Protestkundgebungen rufen linke & sozialistische iranische Initiativen und Kollektive in Europa auf.

Germany: Berlin (Bolandgoo Platform),  Bremen (Socialism from below collective), Frankfurt (Internationalist Bloc-Frankfurt), Göttingen (Without Name Collective),  Hamburg (women*-Life-Freedom). Dortmund (Collective street).
England: Manchester (Red Roots Collective). France: Paris (Roja group and Feminists4jina-Paris).Canada: Montreal Holand : Amsterdam. Belgium: Brussels (women*-Life-Freedom Belgium)

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